3. Jan 2013 @ 21:34
Abrissgegner kontra Bauinvestor: Seit dem Morgen tobt in der Hauptstadt der Streit um ein Stück Mauer. Aktivisten stürmten die Baustelle, diePolizei drohte mit Räumung.
Der Abriss eines am originalen Ort erhaltenen Teilstücks der Berliner Mauer ist vorerst verhindert: Die Polizei verkündete den Stopp der Arbeiten an der weltbekannten East Side Gallery. Aktivisten hatten die Baustelle am Spreeufer gestürmt, auf der eine Fußgängerbrücke entstehen soll. Auf dem Areal ist auch ein modernes Hochhaus mit hochwertigen Wohnungen vorgesehen. Wann der Abriss weitergehen könnte, ist unklar.
Um die Konfrontation zu umgehen, hatten Bauarbeiter schon in den frühen Morgenstunden mit ihrer Arbeit begonnen. Polizisten war es zunächst gelungen, dies zu schützen. Ein Kran riss ein Loch in den etwa 1,3 Kilometer langen Abschnitt der Mauer. Trotz der Proteste entfernten Arbeiter ein von Künstlern bemaltes Segment der Mauer, weitere sollen folgen.
Die Aktivisten hatten geplant, den ursprünglich für den Mittag vorgesehenen Abriss des Teilbereiches mit einer Menschenkette zu blockieren. Im Lauf des Vormittags gelang ihnen dies. Gegen Mittag waren 400 Abrissgegner vor Ort. Die Aktivisten verschlossen die Lücke mit einem Ersatz-Mauerstück aus Styropor. Darauf steht der Slogan „Mauer wieder zu“.
Zwischen der Mauer und der Spree will ein Investor ein Hochhaus mit hochwertigen Wohnungen bauen. Zudem ist dort eine Fußgängerbrücke geplant. Für diese beiden Vorhaben müsste ein Teilstück der East Side Gallery weichen. Die Mauerteile sollen später an anderer Stelle wieder zu besichtigen sein.
Die Gegner der Kommerzialisierung des Spreeufers machten ihrem Unmut Luft: „Hier wird ein gesamtdeutsches und weltweites kulturelles Erbe abgerissen“, sagte Robert Muschinski von der Initiative Mediaspree versenken!. „Das ist äußerst peinlich für diese Stadt. Ich schäme mich gerade, ein Berliner zu sein.“
Auf der Onlineplattform change.org veröffentlichte das Bündnis East Side Gallery retten! eine Petition und sammelte Unterschriften. Es verlangt vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), die Umsetzung der Mauerteile per Moratorium zu stoppen, sie unter „umfassenden Denkmalschutz“ zu stellen und mit dem Investor über einen Grundstückstausch zu verhandeln.
Die Abrissgegner riefen für Sonntag zu einer Demonstration „Wall Parade“ entlang der Gallery auf.
Für ein Hochhaus mit Luxuswohnungen
Bereits am Donnerstag hatten Bauarbeiter mit den Vorbereitungen für den Abriss begonnen. Unklar ist, wer die Arbeiten veranlasste. „Wir haben damit nichts zu tun“, sagte eine Sprecherin des Bezirksamts von Friedrichshain-Kreuzberg.
Die East Side Gallery nahe der Oberbaumbrücke entstand nach dem Mauerfall. Knapp 120 Künstler bemalten den Betonwall der ganzen Länge. Erst vor wenigen Jahren war die Gallery mit großem Aufwand saniert worden. Das mit Abstand längste erhaltene Teilstück der Berliner Mauer ist bei Touristen sehr beliebt. Zu den bekanntesten Motiven gehören der Bruderkuss und der die Mauer durchbrechende Trabant. (Die Zeit)